Manche Bücher sind ein etwas schwierig zu rezensieren, weil sie einem viel abverlangen, oder weil man durch sie mehr von sich preisgeben könnte, als man eigentlich möchte. „Die Glasglocke“ ist ein solches Buch. Ich versuche es dennoch.
Inhalt:
Die „Geschichte“ (eigentlich ist es eine Autobiographie, die ein wenig verändert wurde) spielt im spießigen Amerika der 50er Jahre, das unserer Zeit an manchen Stellen allerdings erschreckend ähnlich ist, und handelt von der Studentin Esther Greenwood, die ein Stipendium an einem angesehenen College hat. Zu Beginn des Buches weilt sie in New York und arbeitet dort für eine Zeitung. Als sie für den Sommer zurück nach Hause kommt, erwartet sie dort ein Brief; sie wurde für einen Sommerkurs nicht angenommen. Kurze Zeit später versucht sie sich das Leben zu nehmen und kommt in die Psychiatrie.
Meinung:
Esthers Lebensweg scheint vorherbestimmt: College, nebenbei Steno und Maschineschreiben lernen, damit sie als Sekretärin arbeiten kann und dann ein Leben als brave Hausfrau und Mutter. Doch sie kann sich damit nicht anfreunden, überhaupt geht sie eher teilnahmslos durchs Leben. Sie schildert ihre Zeit in New York kühl und distanziert bis angeekelt. Die Partys, die anderen Mädchen mit denen sie von einem gesellschaftlichen Ereignis zum nächsten gejagt wird, all das ist nicht ihre Welt, all das erfüllt sie nicht. Die Frage was sie eigentlich will stellt sich häufiger, die Antwort findet sich eher zwischen den Zeilen. Sie will Wahlfreiheit, sie will sich nicht entscheiden müssen und sie will selbstbestimmt leben, auch wenn das bedeutet eben keine eindeutige Entscheidung zu treffen. Ihre Wahl ist die Nicht-Wahl, das gleichzeitige Nutzen zweier Alternativen. Buddy Willard, der Medizinstudent und All-American-Boy, der ihr Mann werden sollte, nannte sie deswegen neurotisch. Esther gab dies bereitwillig zu, einer der wenigen Moment im Buch, in denen ein bisschen Emotion durch ihre Fassade zu erkennen war.
Als sie schließlich über den Sommer zu Hause festsitzt, verschlechtert sich ihr Zustand sehr. Sie kann nicht mehr schlafen, ihre Verweigerungshaltung, die vorher nur in Ansätzen zu erkennen war, ist auf dem Höhepunkt. Sie sucht sich keine anderen Sommerkurse, sie ruft sogar im College an und hört sich selbst sagen, dass sie keine weiteren Kurse belegen wird. Sie versucht einen Roman zu schreiben, kommt aber nicht über die ersten Zeilen hinaus. Ihre Mutter will ihr Stenographie beibringen, doch Esther weiß keinen Beruf den sie ausüben wollte bei dem man das bräuchte. Sie überdenkt alle Möglichkeiten die sie hat und verzweifelt daran dass sie scheinbar nichts kann. In ihre Gedanken mischen sich immer öfter Überlegungen wie sie sich selbst töten kann, sie versucht sich zu ertränken, kauft sich Rasierklingen, schafft den entscheidenden Schritt allerdings erst als sie Schlaftabletten nimmt und sich in einer Nische im Keller versteckt.
Esther kommt schließlich durch ihre Gönnerin in eine private psychiatrische Anstalt, wo sie erstmalig von einer Frau behandelt wird. Die Behandlung durch einen männlichen Psychiater vorher, hatte ihr außer einer traumatischen Elektroschockbehandlung nicht weiterhelfen können.
In der Klinik werden ihre Depressionen langsam weniger, die Glasglocke, die sie von der Außenwelt abtrennt und sie gleichzeitig zum Forschungsobjekt für andere macht, hat sich angehoben und lässt einen „Luftzug“ zu ihr herein. So seltsam wie es auch klingen mag, letztendlich erreicht Esther Selbstbestimmung durch Empfängnisverhütung. So kann sie Erfahrungen machen, ohne direkt befürchten zu müssen ein Baby zu bekommen. Sie muss Buddy Willard nicht heiraten, der so bigott ist und von ihr erwartet Jungfrau zu sein, während er selbst jede Menge Erfahrungen gesammelt hat. Sie muss das Bild der Frau als unterstützendes Anhängsel eines Mannes nicht erfüllen, die zu Hause bleibt, während ihr Mann Karriere macht und sich Geliebte hält. Ihr stehen alle Wege offen.
Das mehr oder weniger positive Ende wird allerdings dadurch getrübt, dass sich Esthers reales Alter Ego Sylvia Plath letztendlich doch das Leben genommen hat.
Plaths Glasglocke ist ein wahres Meisterwerk! Sie versteht es mit ihre wunderschönen Sprache Bilder zu malen die eindrücklich sind und gleichzeitig sehr unaufdringlich. Man muss allerdings ebenso zwischen den Zeilen lesen können, denn vieles erschließt sich auch aus dem was sie nicht schreibt. Wer sich jemals in einer emotional ähnlichen Situation befunden hat, wird sicher vieles von Esther in sich wiedererkennen. Es ist eine wirkliche Schande, dass diese Plaths einziger Roman ist, mit ihr ist ein großes Talent verloren gegangen!